Mit einer Informationsveranstaltung – sie könnte auch Promoevent für das Projekt genannt werden – wurde am 16. November das Mitwirkungsverfahren für jene Elemente der Engpassbeseitigung St.Gallen gestartet, die nicht in der Verantwortung des Bundes sind. Die Projektpläne sind nun öffentlich. Bis zum. 8.Januar 2024 können Interessierte dazu Stellung nehmen.
So soll der Knoten mit dem Tunnelportal bei der St.Leonhard-Brücke dereinst aussehen. Inhaltlich hat sich gegenüber unserer Darstellung wenig geändert. (Bild: Kanton St.Gallen)
Infoanlass zum Start der Mitwirkung
Regierungsrätin Susanne Hartmann, Stradtrat Markus Buschor und Jürg Röthlisberger, Direktor des Bundesamt für Strassen ASTRA luden zu einem Infoanlass in die Olma-Halle 2.1 ein. Sie erklärten – und begründeten – das Projekt.
Gleich zu Beginn belehrte Jürg Röthlisberger das Publikum über «Denkfallen». Beispielsweise würde nicht nur der MIV, sondern auch der ÖV sowie der «Langsamverkehr» (das Wort wird immer noch verwendet!) Strassen benutzen. Der Autobahnausbau diene demnach auch den Velofahrerinnen und Fussgängern. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Autobahnzubringers würde der MIV kein CO2 mehr ausstossen, weil er voll elektrifiziert sei. Dank autonomen Fahrzeugen würden ganz neue Verkehrsformen entstehen. Nach Ansicht des ASTRA wird aber auch der zukünftige Verkehr immer mehr Platz und Energie benötigen. Dass es intelligent sein könnte, mehr Leistung zu erbringen und gleichzeitig weniger zu verbrauchen als heute, scheint eine Denkfalle zu sein, in die das ASTRA auf keinen Fall hineintappen will.
Das Trio beantwortete Fragen, welche via Smartphone online gestellt werden konnten. Weil ebenfalls via Smartphone die Wichtigkeit der Fragen bewertet werden konnte, fanden gute und spät formulierte Fragen leider keine Berücksichtigung. Stattdessen wurde dem Podium eine Plattform geboten, nochmals seine bekannten Standpunkte zu platzieren. Dabei wurden ungeschickt formulierte Fragen nicht im Sinn des Fragestellers beantwortet, andere Antworten waren schwammig oder sogar falsch.
Ein paar Beispiele
- CO2-Ausstoss: Buschor, Hartmann und Röthlisberger wurden nicht müde, zu betonen, dass es mit der Entkarbonisierung des Verkehrs auch bei einer Verkehrszunahmen keinen Anstieg des CO2-Ausstosse geben wird. Sie gingen aber nicht darauf ein, dass alleine der CO2-Ausstoss, welcher der Bau dieser unterirdischen Anlagen mit sich bringen wird, erst nach über 100 Jahren kompensiert würde – falls es im Zeitalter der Elektromobilität überhaupt noch kompensierbar wäre. Mehr über Tunnels als Klimakiller hier.
- Begrünung: Durch die Ausführung der Engpassbeseitigung inklusive Teilspange wird es laut den Projektverantwortlichen möglich, Strassenraum zu begrünen oder dem Fuss- und Veloverkehr mehr Raum zu geben. Allerdings könnten diese Massnahmen bereits heute realisiert werden, wenn man die Spuren für den MIV auf eine vernünftige Breite von ca. 3.20 m reduzieren würde. Die Leistungsfähigkeit der Strassen würde dadurch nicht beeinträchtigt. Die Umwandlung der Überbreite in Begrünung oder Radstreifen ist somit auch ohne Teilspange ausführbar – eine weitere Denkfalle der Projektpromotoren.
- Kosten: Bekannt ist, dass das kantonale Projekt Liebeggtunnel 150 bis 200 Mio. Franken kosten soll. Nun wurde erklärt, dass der Bund sich bei den kantonalen Projekteilen zusätzlich mit 170. Mio. beteiligen wird. Verschwiegen wurde aber, dass die Tunnels vom Kreisel zur St.Leonhard-Brücke und zur Oberstrasse nun unter er Verantwortung von Kanton und Stadt stehen. An der Gesamtsumme von ca. 850 Mio. Franken für den Zubringer Güterbahnhof mit dem Liebeggtunnel ändert sich durch diese Präzisierung nichts.
- Und wieder wurden Visualisierungen gezeigt mit sehr vielen Bäumen im Güterbahnhofareal. In den Plänen ist eine Überdeckung von ca. 1 m über den Tagbautunnels (rot markiert) ersichtlich. Für einen gesunden Wurzelraum reicht das nicht. Zudem zeigen die Erfahrungen mit dem Stephanshorntunnel und der Harzbüchelgalerie, sowie auch mit mehreren neueren Überdeckungen andernorts, dass generell darauf verzichtet wird, über Deckeln Bäume zu pflanzen . Mehr dazu hier.
Plan aus der Testplanung von Andy Senn Architekten BSA/SIA
- Netzanschluss Kantonshauptorte. Mit der Annahme des NAF (2017) wurde beschlossen, dass jeder Kantonshauptort an das Nationalstrassennetz angeschlossen wird. Astra-Direktor Jürg Röthlisberger begründete u.a. mit diesem Argument die Teilspange. Damit liegt er aber flasch. 2017 wurde tatsächlich eine Netzerweiterung nach Appenzell beschlossen, nämlich die A25 (N25) via Gossau – Herisau.
- Gemäss Strassenbaunormen dürfen keine unterirdischen Strassenmündungen erstellt werden. Der Kreisel wurde bereits in der Variantenentwicklung hinterfragt. Jürg Röthlisberger sieht dieses Problem durch die Ausstattung der Fahrzeuge mit Fahrassistenten und intelligenter Steuerung entschärft. Bedeutet dies, das Autos ohne entsprechende Ausrüstung diesen Kreisen folglich nicht befahren dürfen? Mehr zur Sicherheit hier.
- Für den Veloverkehr wird eine «attraktive» Verbindung durch das Güterbahnhofareal geschaffen. Doch: Die könnte ohne den Autobahnanschluss sogar noch attraktiver sein, denn die von der Stadt geplante Vorzugsroute nördlich der Gleise mit Querung bei der St.Leonhard-Brücke lässt sich wesentlich zügiger befahren als der Parcours durch Mischzonen im Areal und eine der Zylipasserelle mit entsprechender Höhendifferenz.
(Bild: Tiefbauamt Kanton St.Gallen)
- Das Volk habe 2016 dem Autobahnanschluss am Güterbahnhof zugestimmt. Mehr dazu hier.
Abweichungen unserer Annahmen von den aktuellen Plänen
Seit der Aufschaltung dieser Website 2017 haben wir versucht, anhand der wenigen bekannten Informationen, das Projekt Teilspange, Autobahnanschluss Gütebahnhof und Liebeggtunnel möglichst so zu beschreiben und darzustellen, wie wir glauben, dass es dereinst realisiert werden sollte. Wie sich nun zeigt, trafen wir bei Vielem auf den Punkt.
Die Abweichungen sind geringfügig.
- Knoten St.Leonhard-Brücke: Im Unterschied zur Testplanung wird nun die Verkehrsbeziehung St.Leonhard-Strasse vom Stadtzentrum geradeaus in den Autobahntunnel ermöglicht.
Der Veloverkehr wird marginalisiert. Wie wir schon lange vermutet und in unseren Visualisierungen dargestellt haben, ist mit beengten Verhältnissen in den Warteräumen und Mischzonen für den Fussverkehr zu rechnen.
(Bild: Kanton St.Gallen)
- Knoten Liebegg als T-Kreuzung. Wir haben diese zwar als Variante gesehen, stellten uns aber aufgrund der hohen Baukosten von 850 Mio. CHF eher eine kreuzungsfreie Lösung vor.
(Bild: Kanton St.Gallen)
- Der Knoten Oberstrasse soll als Kreisel ausgeführt werden.
- Für den Velo- und Fussverkehr ist nun doch eine Verbindung vom Güterbahnhofs zur Oberstrasse vorgesehen. Die sollte möglich sein, weil die Post ihr Logistikzentrum umbauen oder gar neu erstellen muss. Mehr zum Platzmangel dort siehe hier.
- Der vordere, neuere Teil des Güterexpeditionsgebäudes soll nun doch abgerissen werden. Mehr über die zu erwartenden Hausabbrüche hier.
Unsere bisherigen Artikel auf dieser Webiste sind im zeitlichen Kontext des Veröffentlichungsdatums zu beachten.
Unterstützung bei der Mitwirkung
Die Frage, ob man sich als Gegnerin oder Gegner der Teilspange überhaupt an der Mitwirkung beteilligt, ist berechtigt. Das Mitwirkungsverfahren kann als eine Möglichkeit gesehen werden, auf punktuelle Schwachstellen des Grossprojekts hinzuweisen. Diese zu finden, erfordert jedoch ein intensives Studium der Pläne und des technischen Berichts.
Der Verein gegen den Autobahnabschluss am Güterbahnhof wird allen Interessierten Hilfestellung bei der Mitwirkung bieten. Entsprechende Anfragen nehmen wir gerne entgegen.
Zur Mitwirkung
Die Klimaseniorinnen machten am Eingang zur Infoveranstaltung auf die Probleme des Projekts aufmerksam.
Saiten: Mitwirkung in Grenzen